Väter, vernetzt Euch! Wie wir Männer in Austausch bringen

Kann man Männer für Themen wie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „Homeschooling“ oder „Selbstfürsorge“ gewinnen? Die Antwort ist klar: Ja, man kann. Die Frage ist: Wie? Männer sind es nicht gewohnt, sich zu vernetzen, um über Persönliches und „Familienthemen“ in Austausch zu gehen. Doch es gibt gute Ideen und einiges an Erfahrung, wie man das ändern kann. Willkommen im Väternetzwerk. 

Wozu braucht es Austausch?

Es ist meine erste Väternetzwerk-Webkonferenz. Die Coronapandemie ist gerade ein Jahr alt. Wir treffen uns digital. Vor wenigen Minuten hat Volker Baisch die Ergebnisse einer Umfrage zum Stimmungsbild von Eltern in Deutschland gezeigt. In der Wahrnehmung sind Väter über den Zeitverlauf deutlich zufriedener mit der Aufteilung der Kinderbetreuung als Mütter.

Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen Vätern und Müttern

Quelle: Väter gGmbH & Care.com: Zukunftssymposium, 20.04.2021

Eine naheliegende Erklärung dafür ist, dass Väter nach wie vor weit weit weniger Zeiten und weniger Verantwortung für Care-Arbeit übernehmen als Mütter (was nicht heisst, dass sie es nicht tun). Sie sind damit weniger mit den Herausforderungen der Pandemie konfrontiert. Auch bei der Stimmung in der Partnerschaft gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung.

Stimmung unter Ehepartnern

Quelle: Väter gGmbH & Care.com: Zukunftssymposium, 20.04.2021

Die Stimmungslage der Paare ist gesunken. Die persönliche Stimmungslage der Mütter ist deutlich schlechter als die der Väter. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Netzwerk-Konferenz ist klar: Hier gibt es Bedarf für Austausch. Was können wir für Eltern tun und wie gelingt ein besseres Gleichgewicht zwischen Müttern und Vätern.

Was spricht Männer an?

Die Webkonferenz geht über in Breakout-Sessions. Mit in meinem Raum: Väternetzwerker von Sanofi, Bosch und Volkswagen sowie eine Diversity-Beauftragte aus einem KMU. Wir gehen der Frage nach, wie man die Väter-Community erreicht.

Ein Teilnehmer berichtet, dass er in seinem Unternehmen verschiedene Formate für Väter anbietet. Der Stammtisch mit lockerem Austausch hat eine eher geringe Resonanz von 10-15%. Dafür stossen Vorträge zu bestimmten Themen auf grösseres Interesse. Der „Rote Talk“ einmal im Monat sei gut besucht. Auf besonders grosses Interesse stiess ein-Outdoor -ater-Kind-Workshop: Väter und Kinder trafen sich draussen. Im Vordergrund standen das gemeinsame Tun und Erleben und – interessant –  der Austausch über Fragestellungen der Väter. Die Kombination und der lockere Rahmen schienen bei den Männern anzukommen.

Austausch nicht als Selbsthilfe und ohne Bürokratie

Andere Teilnehmende berichten von ähnlichen Erfahrungen. Der Name der Veranstaltung sei wichtig. Es dürfe nicht nach Selbsthilfregruppe aussehen („Jetzt müssen wir wieder über unsere Gefühle sprechen“). Und es sollte nicht bürokratisch klingen. Einladungen, die als für die Zertifizierung notwendiger Beitrag zum Betrieblichen Gesundheitswesen verstanden werden, sind weniger interessant als ein Outdoor-Event. Konkrete Angebote auch für Untergruppen (z. B. alleinerziehende Väter) seien jedoch wichtig.

Dr. Oliver Schumann, Sportökonom und Sportpsychologe bringt es in seinem Vortrag auf den Punkt: Was in der Kommunikation anspricht ist abhängig von Geschlecht, Alter, Lebenssituation, Motiv und Motivation. Wir interessieren uns für Vorteile, Nutzen und Problemlösungen. Wer das vermitteln kann, schafft kognitive Leichtigkeit. Und die ist wichtig. Ein Beispiel?

Kognitive Leichtigkeit im Austausch mit Männern

Quelle: Dr. Oliver Schumann: Wie bringen wir kognitive Leichtigkeit in die Kommunikation?

Arbeit ist wichtiger als Austausch

Arbeit hat, so die Erkenntnis in unserer Session, für Männer eine hohe Priorität. Angebote für Austausch und Vernetzung müssen sich gut in den Arbeitsalltag einflechten lassen. Ein Teilnehmer berichtet von erfolgreichen Morgenveranstaltungen. Und in einem anderen Unternehmen werden Online-Vorträge aufgezeichnet. Wer aus terminlichen Gründen nicht dabei sein kann, kann die Inhalte nachsehen.

Perspektiven, Erfahrung und Selbstorganisation

Das spannende an Themen wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, dass es verschiedenen Perspektiven und sehr kreative Ansätze gibt. Und wir können von der Erfahrung anderer profitieren. Auch aus den Feedbacks zu unseren Vatercrashkursen habe ich gelernt: Teilnehmer möchten erfahren, wie es andere ausprobieren und machen und was sie daraus gelernt haben. Der Austausch darüber wird als sehr wertvoll empfunden.

Dabei geht es nicht nur darum, wie Paare ihren Arbeitsalltag organisieren. Mindestens genauso interessant ist, was Unternehmen tun, damit das gut gelingt. Und hier gibt es kreative Beispiele:

  • Bei eine Schweizer Versicherung entstand ein Office, in das Eltern ihre Kindern mitbringen durften. Zu Beginn galt das Angebot nur, wenn man kurzfristig keine Betreuung organisieren konnte. Das funktionierte sehr gut. Mit der Zeit, etablierte sich das auch ohne diese Einschränkung. Das Angebot wurde von Arbeitnehmer:innen und Arbeiter:in gleichermassen geschätzt.
  • Ein Metallverarbeiter in Süddeutschland entwickelte einen Wagen mit Spielsachen. Dieser kann dorthin gerollt werden, wo Kinder gerade mit in die Arbeit müssen. Eltern können so eine Betreuungslücke überbrücken. Und die Kinder freuen sich, etwas neues zum Spielen zu entdecken.

Natürlich funktioniert nicht alles überall. Aber darum geht es auch nicht. Durch Austausch machen wir die vorhandenen Perspektiven und Erfahrungen zugänglich. Dadurch können neue Ideen und Lösungen entstehen – passend zum jeweiligen Kontext. Dabei kann man auf die Motivation und das Engagement der Beteiligten zählen. Durch Austausch entsteht mitunter Verbindung über eine Anlass hinaus. Und daraus können  neue Initiativen entstehen. Oft passiert das selbstorganisiert. Und so entsteht ein Väternetzwerk.

Eine gute Möglichkeit, den Austausch von Vätern im Unternehmen zu initiieren ist übrigens der Workshop dads@work. Wir bringen Väter mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund miteinander in Kontakt. Sie können eine persönliche Standortbestimmung vornehmen und, zusammen mit anderen, konkrete Lösungen entwickeln.

Lust auf Austausch? 11 Tipps…

Der kurze Austausch in unsere Breakout-Gruppe war sehr wertvoll. Hier die zehn wichtigsten Erkenntnisse daraus:

  1. Grundsatz: Mach gute Veranstaltungen, nicht Lobbyarbeit.
  2. Zielgruppe: Wen sprichst Du an? Wen eher nicht?
  3. Meet the Needs: Frage nach der persönlichen Betroffenheit: Was bewegt die Männer, die Väter, die Frauen, die Mütter? Was brauchen sie?
  4. Vorteile, Nutzen und Problemlösungen: Was gelingt durch das, was Du tust? Und was verändert sich für die Menschen?
  5. Organisatorische Verankerung: Finde einen Schirmherren, eine Schirmherrin für Dein Vorhaben. Binde ihn/sie in die Kommunikation ein.
  6. Kenne die Prioritäten: Sorge dafür, dass der Anlass/das Angebot zum Austausch in den Arbeitsalltag passt.
  7. Positive Emotionen: Sorge für kognitive Leichtigkeit in der Kommunikation. Finde einen einladenden Namen.
  8. Klarheit der Erwartungen: Setze einen klaren Rahmen: was darf man erwarten Input, Wissensvermittlung, Erlebnis? Was muss/kann ich beitragen?
  9. Nutze die Community: Werde Teil der Community. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bringen Erfahrung mit, die für andere hilfreich sind. Lass sie voneinander profitieren
  10. Hab‘ Spass an der Sache

Titelfoto: Photo by Egor Myznik on Unsplash